Skat kann so grausam sein

Schonmal sowas erlebt? Ein Turnier über 8 Serien, erste Serie. Da sitzt man eine Weile ohne einmal 18 sagen zu können, bekommt dann endlich in Spiel 12 ein halbwegs brauchbares Spiel und muss sich auch noch mühsam den Sieg erkämpfen. Am Ende winken für die schwer erarbeiteten 62 Augen ganze 27 Punkte für das gewonnene Karo ohne zwei. Und der Typ, der einem gegenüber sitzt und bislang eher durch blöde Sprüche als durch gutes Skatspiel aufgefallen ist, knallt anschließend in vier Spielen drei Grands raus, zwei davon mit Schneider. Am Ende der Serie verlässt er mit über 1.500 Punkten den Tisch, während man selbst froh sein kann, noch 800 Punkte gerettet zu haben.

Skat kann richtig unfair sein. Ein Karospiel zählt weniger als ein Kreuzspiel, ein Karospiel ist deswegen aber nicht einfacher zu spielen als ein Kreuzspiel, die Farbe macht beim Spiel überhaupt keinen Unterschied.

Noch gravierender ist der Unterschied zu Grandspielen. Grands sind a) sehr teuer (Grundwert 24) und werden b) viel weniger verloren als Farbspiele.

Ich habe mir aus unserer Turnierdatenbank mal alle Spiele der letzten Wochen rausgesucht. Von 70.630 Kreuzspielen wurden 15.871 verloren. Das entspricht einer Quote von 22%. Von 108.164 Grands wurden hingegen gerade einmal 9.403 Stück verloren, also nicht einmal 9%.

Ich persönlich finde (das lässt sich leider nicht so einfach mit Zahlen untermauern), dass Grands auch deutlich einfacher zu spielen sind. Die meisten Grands sind genau dann schwierig, wenn sie nicht geplant waren, sondern nur deswegen gespielt werden, weil ein Bube im Skat das Farbspiel unmöglich gemacht hat. Viele Grands sind einfach so stark, dass sie unverlierbar sind. Nicht selten sieht man Farbspiele mit 7 Trumpf und guter Beikarte umgehen, während ein Grand mit 4 eigentlich nur dann verloren wird, wenn der Spieler nicht erkannt hat, dass er gar keinen Grand auf der Hand hat.

Also warum werden beim Skat die Spiele belohnt, die am Einfachsten zu spielen sind? Natürlich freut man sich über einen Grand Ouvert, er ist so selten, dass viele Spieler noch nie einen gespielt haben, aber wenn man ihn hat ist spielerisches Können nicht gefragt.

Klar, Skat ist kein Bodenturnen. Es gibt keine Jury, die nach einem Spiel bewertet, wie gut der einzelne Spieler gespielt hat und anschließend Punkte in der B-Wertung verteilt. Bei der erwähnten Serie hätte ich mir aber gewünscht, es wäre so.

Die Frage ist jetzt, ob das so schlimm ist. Natürlich ist es ärgerlich, wenn ich mein einfaches Herz nicht bekomme, weil ein anderer Spieler ein einfaches Pik reizt. Und natürlich ist es ärgerlich, wenn ich mir das süffisante Grinsen von dem Spieler gegenüber anschauen muss, der tatsächlich der Meinung ist, weil er einen Oma-Grand nach dem anderen bekommt wäre er ein guter Skatspieler.

Denn irgendwann habe ich auch einen Lauf. Und über den freue ich mich. Das setzt eine ganze Menge Endorphine frei. Und bei einem Grand Ouvert freuen sich in der Regel auch die Mitspieler für den Glückspilz mit, und das nicht nur wegen der Runde, die er dann ausgibt.

Bei einem Turnier über 8 Serien oder im Liga-Spielbetrieb sind es genau die schwierigen Spiele, die den Unterschied machen. Je mehr Spiele gespielt werden desto wahrscheinlicher ist es, dass ich genau so viele „Omas“ hatte wie meine Gegenspieler. Wenn meine Gegenspieler aber das schwierige Karo ohne 2 verlieren, das ich gewonnen habe, dann wird sich das am Ende im Ergebnis widerspiegeln. Nicht umsonst sieht man bei großen Turnieren immer die selben Gesichter an den (gesetzten) vorderen Tischen. Und mein Grinsemann aus der ersten Serie, der durfte nach seinem Lauf mal kurz testen, wie gut die Luft an den Tischen mit der einstelligen Tischnummer ist. Lange aufgehalten hat er sich dort nicht.

Abweichungen von der ISkO beim Online-Skat (4)

In dieser Serie schauen wir uns Regeln der Internationalen Skatordnung ISkO an, die für den Online-Skat modifiziert wurden. Im ersten Teil der Serie hatten wir uns eine Regel angeschaut, die bei Skat-Online sinnerhaltend gekürzt wurde. Im zweiten Teil haben wir eine Regel behandelt, die in Skat-Online ins Gegenteil verkehrt wurde. Im dritten Teil haben wir uns mit den Regeln der ISkO beschäftigt, die es im Online-Skat gar nicht gibt. Und in diesem vierten und letzten Teil schauen wir uns Regeln an, die es in der ISkO überhaupt nicht gibt.

Neulich gab es folgende Situation bei einem Turnier: Mittelhand reizt Vorhand bis 23 und passt dann. Hinterhand ist jetzt mit dem Reizen dran. Aber der steht einfach auf und verlässt das Turnier.

Das habe ich mir natürlich nur ausgedacht. Wie oft ist das schon passiert? Beim „echten“ Skat dürfte das eher selten der Fall sein. Mir persönlich ist das jedenfalls noch nie passiert. Ein befreundeter Skatschiedsrichter konnte in seiner langen Skatturnier-Karriere über zwei Fälle berichten (einmal verließ ein Spieler im Streit den Tisch und einmal musste ein Spieler krankheitsbedingt ein Spiel abbrechen). Und genau deshalb gibt es weder in der ISkO noch in der Skatwettspielordnung oder in irgendeinem mir bekannten Regelwerk eine Regel, die diesen Fall behandelt.

Beim Online-Skat kommt soetwas – leider – viel häufiger vor. Die Internetverbindung wird unterbrochen, der Computer stürzt ab, der Strom fällt aus. Zudem kann der Spieler auch absichtlich das Spiel beenden, er fährt seinen Rechner runter oder schießt Skat-Online einfach ab. Vergleichbare Dinge tut man beim „Offline“-Skat wohl eher nicht.

Wir hatten damals bei der Planung von Skat-Online beim Internationalen Skatgericht (damals war es noch das Deutsche Skatgericht) nachgefragt, wie eine solche Situation wohl beim „Offline“-Skat behandelt würde. Die Antwort: Der Turnierveranstalter würde wohl einen Ersatzspieler einsetzen oder selbst das laufende Spiel zu Ende spielen. Da in der Regel bei Turnieren Vierertische eingesetzt werden, würde die Serie als Dreiertisch beendet werden. Wäre der Fall bei einem Dreiertisch passiert, würde der Ersatzspieler wohl die gesamte Serie für den ausgeschiedenen Spieler beenden. Aber eben weil dieser Fall nicht reglementiert ist, ist es Sache des Veranstalters, wie er hier vorgeht.

Da beim Online-Skat dieser Fall einfach häufiger vorkommt, ist die vom Skatgericht vorgeschlagene Lösung eines Ersatzspielers als Lösung nicht realisierbar. Wir haben daher bereits bei der Planung der ersten Skat-Online-Version zwei Maßnahmen beschlossen.

Zunächst einmal haben wir dafür gesorgt, dass ein Spieler, der technische Probleme hat, Zeit hat, dieses Problem zu beseitigen. Im freien Spiel sind das ca. 90 Sekunden. Das reicht im Fall der Fälle sogar für einen Neustart des Rechners. Natürlich ließe sich diese Zeit beliebig hoch setzen, allerdings muss hier zwischen dem Interesse des Spielers mit dem technischen Problem und dem der Mitspieler, die in dieser Zeit auf die Sanduhr und den Text „Warte auf Karte von…“ starren, abgewogen werden. 90 Sekunden schien uns dafür als angemessen.

In einer späteren Skat-Online-Version (ich glaube, es war V5) haben wir die Zeit für Turniere auf 10 Minuten hochgesetzt. Hier gelten andere Bedingungen und es ist den Mitspielern durchaus zuzumuten, etwas länger auf einen Mitspieler zu warten. Aber wir haben nach den 90 Sekunden die beiden verbleibenden Mitspieler wieder anden Tisch zurück geführt, damit die Spieler sich die Wartezeit wenigstens mit Chatten verkürzen können.

Aber auch die längste Wartezeit kann nicht verhindern, dass der Fall eintritt, dass ein Spieler gar nicht mehr zurückkommt. Und spätestens dann muss das unterbrochene Spiel abgerechnet werden.

Ist das Spiel bereits am Laufen (also nach der Spielansage), dann ist das noch relativ einfach. Wir gehen einfach davon aus, dass der Spieler, der sich unsanft verabschiedet hat, das Spiel aufgegeben hat. Die Spielaufgabe ist in der Internationalen Skatordnung geregelt. Der entsprechende neu eingeführte Punkt (4.3.6) in der Skat-Online Skatordnung lautet daher:

Verlässt ein Spieler das laufende Spiel, so wird dies als Spielaufgabe gemäß 4.3.1 bis 4.3.3 gewertet

Das Spiel kann aber auch an folgenden Stellen unterbrochen werden:

  • Bevor ein Alleinspieler ermittelt wurde (vor oder während des Reizens)
  • Nachdem der Alleinspieler ermittelt wurde, aber vor der Spielansage

Für den letzten Fall muss zudem unterschieden werden, ob der Spieler, der das Spiel verlassen hat, der Alleinspieler oder einer der Gegenspieler ist.

Auch wenn es im offiziellen Regelwerk keine Entsprechung für diese Fälle gibt, so darf eine selbst erstellte Regel nicht im Widerspruch zur Internationalen Skatordnung entwickelt werden. Folgende Regel ist hier besonders zu beachten:

ISkO 3.2.16: Nach ordnungsgemäßem Geben muss ein gültiges Spiel zustande kommen. Auch ein eingepasstes Spiel ist ein gültiges Spiel (siehe 3.3.7).

Wir können das Spiel nicht einfach verwerfen, also gar nicht werten. Nun könnten wir das Spiel einfach einpassen. Aber das würde mit Sicherheit dazu führen, dass einige Spieler bei einem schlechten Blatt den Spielabbruch provozieren. Ich habe mich nach Skataufnahme überreizt? Schnell das WLAN abschalten und schon komme ich mit einem blauen Auge davon.

Nun könnte man dem Spieler einfach ein paar Strafpunkte verpassen. 100 Miese auf das Punktekonto und weiter zum nächsten Spiel. Eine solche Möglichkeit sieht die Internationalen Skatordnung aber nicht vor. Es gibt keine einzige Regel, die eine Spielabrechnung außerhalb der im 5. Kapitel definierten Grundwerte und Gewinnstufen vorsieht.

Also haben wir uns dazu entschieden, ein „echtes“ Spiel als Grundlage für die Abrechnung zu nehmen. Die Wahl fiel hierbei auf den größt möglichen Grundwert, den Grand. Damit wollten wir sicher stellen, dass es keine Situation gibt, die einen absichtlichen Spielabbruch attraktiver macht als eine reguläre Durchführung des Spiels.

Nachdem diese Entscheidung getroffen war, war der Rest ziemlich einfach. Der Grundwert von 24 war gesetzt. Da die Karten bereits verteilt wurden, können wir auch die Spitzen ermitteln. Und sofern gereizt wurde, können wir auch sicherstellen, dass der Spielwert wenigstens dem Reizwert entspricht (es ist also auch möglich, dass man sich bei vor der Spielansage abgebrochenen Spielen überreizt).

Wurde noch kein Alleinspieler ermittelt oder ist der Spieler, der das Spiel abgebrochen hat, der Alleinspieler, dann schreiben wir ihm den Grand als verlorenes Spiel ab. Wir gehen dabei zu Gunsten des Spielers davon aus, dass der Spieler nicht Hand spielt. Auch auf die Stufen „Schneider“ und „Schwarz“ verzichten wir (in Analogie zur ISkO 4.1.4: Hat jemand vor der Spielentscheidung unberechtigt ausgespielt oder einen anderen Regelverstoß begangen, ist das Spiel für die schuldige Partei in der Stufe einfach (nicht Schneider oder Schwarz) verloren.).

Punkt 3.3.9 der Skat-Online Skatordnung:

Verlässt ein Spieler vor der Beendigung des Reizvorgangs das Spiel, so wird ihm das laufende Spiel als einfacher verlorener Grand (nicht Schneider oder Schwarz) bewertet.

Und der zweite Teil des Punkts 3.4.6 der Skat-Online Skatordnung:

[…] Verlässt der Alleinspieler das Spiel vor der Spielansage, so wird ihm ein einfacher Grand (nicht Schneider oder Schwarz) als verloren angerechnet.

Wurde bereits ein Alleinspieler ermittelt und einer der Gegenspieler bricht vor der Spielansage das Spiel ab, dann gehen wir zu Gunsten des Alleinspielers – der an dem Spielabbruch ja keine Schuld trägt – davon aus, dass dieser einen Grand ansagt und wegen eines Regelverstoßes der Gegenpartei kampflos gewinnt.

Der erste Teil von Punkt 3.4.6 der Skat-Online Skatordnung regelt das:

Verlässt einer der Gegenspieler das Spiel vor der Spielansage, so wird dem Alleinspieler ein einfacher Grand (nicht Schneider oder Schwarz) als gewonnen angerechnet. […]

Auch diese Regel ist eine Regel der „ersten Stunde“, ist also fast unverändert von Anfang an in Skat-Online enthalten. Das bedeutet aber nicht, dass die Regel die ultimative und optimale Lösung darstellt. Wenn ich einen Grand Hand auf der Hand habe und ein anderer Spieler verabschiedet sich, dann ist es nur ein schwacher Trost, dass ich 40 Punkte für sein verlorenes Spiel kassiere.

Aber wie sähe eine bessere, fairere Regel aus? Es gab einige Ansätze von Spielern, die Regeln zu modifizieren, aber entweder standen diese im direkten Widerspruch zur ISkO oder die Modifikation löste nur bestimmte Spezialfälle, verschlechterte die Regeln aber in anderen Belangen.

Natürlich ist es ärgerlich, wenn ich ein gutes Spiel nicht spielen kann, aber ich vergleiche das dann gerne mit dem Fall, dass ich ein Bombenblatt bekomme und dann festgestellt wird, dass der Kartengeber sich vergeben hat. Und immerhin gibt es diesen Fall beim Online-Skat nicht.

Fazit

Die Internationale Skatordnung wurde für den „echten“ Skat entwickelt. Viele Regeln lassen sich nicht oder nicht sinnvoll auf den Online-Skat übertragen. Zudem ergeben sich online einige Situationen, die durch zusätzliche Regeln abgedeckt werden müssen.

Dennoch ist es möglich, den Geist der Internationalen Skatordnung auch auf den Online-Skat übertragen.

Weiterlesen