Zeigt her Eure Karten

Neulich wurde mir ein interessanter Fall geschildert. Auf den ersten Blick ist dieser auch ganz einfach zu entscheiden. Aber der hat es ganz schön in sich.

Die Gegenspieler haben 10 Augen in ihren Stichen, als ein Gegenspieler seine Karten offen auf den Tisch legt und das Spiel aufgibt. Der Alleinspieler reklamiert nun, dass die Gegenspieler Schneider sind und das Spiel entsprechend zu werten ist. Die Gegenspieler argumentieren, dass der Schneider erspielt werden muss. Wenn der Alleinspieler also die Stufe Schneider gewertet haben möchte, dann muss der Gegenspieler seine Karten wieder aufnehmen und das Spiel muss fortgesetzt werden.

Wer hat recht?

Auf den ersten Blick die Gegenspieler. Bei so ziemlich allen Regelverstößen, die ein Gegenspieler begehen kann (z.B. falsch Bedienen, falsches Ausspiel) muss der Schneider explizit erspielt werden. Und ISkO 4.3.3 beschreibt dementsprechend genau die geschilderte Situation:

Alle Spiele sind beendet, sobald einer der Gegenpartei das Spiel aufgibt; die Bestimmungen > 4.1.3 bis 4.1.6 gelten entsprechend (gemeinsame Haftung).

In ISkO 4.1.4 steht schließlich, dass der Schneider erspielt werden muss:

Hat jemand vor der Spielentscheidung unberechtigt ausgespielt oder einen anderen Regelverstoß begangen, ist das Spiel für die schuldige Partei in der Stufe einfach (nicht Schneider oder Schwarz) verloren.

Überraschenderweise hat aber hier der Alleinspieler recht. Das Spiel muss in der Stufe „Schneider“ abgerechnet werden. Und hätten die Gegenspieler noch keinen einzigen Stich, hätte es auch in der Stufe „Schwarz“ abgerechnet werden müssen.

ISkO 4.3.3 kann hier gar nicht angewendet werden, denn der Gegenspieler hat ja nicht nur das Spiel aufgegeben, sondern er hat auch noch seine Karten offen hingeworfen. Und damit greift ISkO 4.3.6:

Offenes Hinwerfen der Karten beendet das Spiel für die betreffende Partei mit den von ihr bis dahin eingebrachten Augen […].

Schaut man sich die Entscheidungssammlung des Internationalen Skatgerichts zur ISkO 4.3.3 und ISkO 4.3.6 an, so wird der Unterschied zwischen den beiden Regeln deutlich. Zu ISkO 4.3.3 gibt es genau ein einziges Fallbeispiel, in dem einer der Gegenspieler ein offenes Nullspiel aufgibt. Das oben beschriebene Beispiel findet sich fast identisch als Fallbeispiel zur ISkO 4.3.6 und wurde entsprechend zu Gunsten des Alleinspielers entschieden.

Möchte einer der Gegenspieler zur Spielabkürzung das Spiel aufgeben, sollten die Gegenspieler also entweder bereits aus dem Schneider sein oder der Gegenspieler sollte seine Spielaufgabe ansagen, ohne seine Karten zu zeigen.

Der entgangene Spielspaß

Ein Spieler hat sich einmal sehr über Skat-Online geärgert. Er fand es unerträglich, dass ein Spieler sein Spiel gewonnen hat, obwohl er seine Karten gezeigt und danach noch einen Stich abgegeben hat.

Ich habe die Gründe, warum Skat-Online dies erlaubt und warum das meiner Meinung nach kein Verstoß gegen die Internationale Skatordnung ist, ja bereits ausführlich erläutert.

Als ich neulich zufällig über die E-Mail dieses Spielers gestoßen bin (sie ist schon etwas älter), habe ich mir einmal Gedanken darüber gemacht, wie oft sich diese Situation, dass ein Alleinspieler ohne Erklärung seine Karten gezeigt und danach noch einen Stich abgegeben hat, in meinem  („Offline-„)Skatleben bereits ereignet hat.

Ich kam auf zwei Mal. Das eine Mal hat der Alleinspieler wirklich geschlafen und einen Trumpf vergessen. Hätte er seine Karten nicht gezeigt (oder eine zutreffende Erklärung abgegeben), hätte er sein Spiel gewonnen.

Auch bei dem zweiten Mal verlor der Alleinspieler wegen eines Trumpfstichs, den die Gegenspieler noch gemacht haben. In diesem Fall hätte der Alleinspieler aber auch ohne das Zeigen der Karten verloren, wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits 58 Augen. Er wusste das und hat deshalb mit der Aussage „Der Rest ist mir“ die Karten gezeigt. Er hat vielleicht darauf spekuliert, dass die Gegenspieler ihm glauben und die Karten zusammenwerfen…

Selbst wenn ich den ein oder anderen Vorfall vergessen habe, kann ich doch mit Bestimmtheit sagen, dass dies – zumindest bei mir – sehr, sehr selten vorkam. Mich würde sehr interessieren, wie andere Spieler das sehen. Wenn ich der E-Mail des genannten Spielers glauben darf, dann passiert ihm das mehrmals täglich und ist – ich zitiere wörtlich – ein wesentlicher Reiz des Skatspiels.Ich kann das beim besten Willen nicht bestätigen.