Die 39-Augen-Grenze

Wenn die Gegenspieler 39 Augen erreichen, dann tritt eine entscheidende Änderung ein. Diese möchte ich hier vorstellen.

Oftmals ist zu dem Zeitpunkt, an dem die Gegenspieler die 39 Augen erreicht haben, bereits vieles klar. Man weiß – wenigstens ungefähr – welche Karten der Alleinspieler hat. Insbesondere weiß man, wie viele Trümpfe er noch auf der Hand haben muss, denn oftmals sind die Trümpfe das erste, das geklärt wird. Aus der Anzahl der Trumpfkarten ergibt sich automatisch, wie viele Fehlkarten er noch auf der Hand haben muss. Zudem ist die ein oder andere Fehlfarbe in der Regel bereits geklärt.

Aber noch etwas anderes tritt ein, wenn die Gegenspieler 39 Augen (oder mehr) haben: Ein einziger Stich genügt den Gegenspielern zum Sieg.

Nehmen wir folgendes Beispiel:

Ich bin im 7. Stich in Vorhand. Hinterhand spielt Kreuz, ich habe folgende Karten:

Pik 10Pik 8Karo 10Karo König

Das Karo Ass ist bereits gespielt (und wurde vom Alleinspieler gestochen). Ich weiß sicher, dass der Alleinspieler die letzten beiden Trumpfkarten besitzt. Zudem sind noch folgende Karten im Spiel, wobei ich nicht weiß, welche davon beim Alleinspieler und welche bei meinem Partner sitzen:

Pik AssPik KönigPik 9Herz 10

Die Gegenspieler haben nach sechs Stichen 39 Augen.

Die einzig richtige Karte, die ich jetzt ausspielen kann, ist die Pik 10

Hat der Alleinspieler das Pik Ass, wird er sein Spiel immer gewinnen, auch wenn er zu dem Ass noch eine andere Pik-Karte hat. Wir werden niemals die fehlenden 21 Augen erhalten.

Hat er das Ass nicht, dann hat mein Partner das Ass. Und der Alleinspieler hat mindestens eine Pik-Karte auf der Hand. Mit meiner 10 und dem Ass erhalten wir mindestens die uns fehlenden 21 Augen. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass der Alleinspieler nur eine einzige Karte der dritten Fehlfarbe hat (da er zusätzlich noch die Herz 10 haben kann), wir müssen also die uns fehlenden Augen in einem einzigen Stich einbringen.

Würde ich ihm die Karo 10 anbieten, dann wird er – wenn er mitgezählt hat – seine Fehlkarte abwerfen.

Also bleibt mir gar nichts anderes übrig, als die Pik 10 auszuspielen und zu hoffen, dass das Ass bei meinem Partner sitzt. Wenn dem nicht so ist, ist das auch nicht schlimm, denn wir sind bereits aus dem Schneider und auf anderem Weg können wir nicht gewinnen.

Auf den ersten Blick sieht das Beispiel so aus, als wäre eine solche Situation sehr selten und eher „theoretisch“. Tatsächlich kommt das aber relativ häufig vor, vor allem, wenn alle Spieler am Tisch gut aufpassen und die Trümpfe und Augen mitzählen. Und nicht selten sind es diese Spiele, die bei einem Turnier die Platzierung entscheidend beeinflussen.

Mitzählen lohnt sich

Bei den meisten Spielen ist es unerlässlich, dass ich jederzeit weiß, wo ich oder mein Gegner stehen, das heißt wer wieviele Augen erhalten hat.

Leider fällt es vielen Spielern schwer, die Karten mitzuzählen (oder sie haben einfach keine Lust dazu). Umso ärgerlicher ist es dann, wenn ein Spiel verloren geht, weil ein Spieler nicht weiß, dass wir das Spiel gewonnen hätten, wenn er die Dame des Alleinspielers gestochen hätte statt sie laufen zu lassen.

Man sollte sich frühzeitig angewöhnen, bei allen Spielen die eigenen Stiche oder die der Gegenspieler mitzuzählen. Auch bei vermeintlich sicheren Spielen kann schnell die Situation entreten, dass Gewinn oder Verlust davon abhängt, dass ich genau weiß, wer wie viele Augen hat.

Als Alleinspieler habe ich dabei die Wahl: Zähle ich meine Augen oder die der Gegenspieler. Wofür ich mich entscheide hängt vom Spiel ab. Geht es z.B. darum, dass die Gegenspieler Schneider werden können, dann werde ich deren Augen mitzählen. Bei Spielen, bei denen es mir ums Gewinnen geht, werde ich eher die eigenen Augen zählen.

Spiele ich allerdings z.B. einen Grand, bei dem ich die Gegenspieler frühzeitig an den Stich lasse, dann zähle ich deren Augen mit, damit ich mich besser entscheiden kann, ob ich einen Stich mitnehme oder abwerfe.

Als Gegenspieler habe ich es da einfacher. Ich kann nur die eigenen Augen zählen, da ich nicht weiß, was der Alleinspieler gedrückt hat.

Aber egal, wie ich mich entscheide: Hauptsache ich zähle überhaupt die Augen. Wenn ich am Tisch merke, dass ein Spieler nicht mitzählt (was bereits nach wenigen Spielen der Fall sein dürfte), dann ändere ich sofort meine Spielweise. Ich reize offensiver, da sich meine Chancen, als Alleinspieler zu gewinnen, deutlich verbessern. Und als Gegenspieler weiß ich, dass ich mich leider insbesondere im Endspiel nur bedingt auf meinen Partner verlassen kann.

Aus genau diesem Grund kann es vorteilhaft sein, dass die Gegenspieler nicht sofort merken, dass ich die Augen mitzähle. Wenn ich jeden Stich fünf Minuten anstarre, bevor ich ihn umdrehe und sich dabei meine Lippen bewegen, dann wissen die Gegenspieler sofort, dass ich bei meinem Spiel Probleme bekommen kann und werden sich entsprechend darauf einstellen. Lautes Mitzählen ist ohnehin verboten.