Der Irrtum mit den größten Skat-Irrtümern

Die BILD-Zeitung kürt auf bild.de zum 200-jährigen Skat-Jubiläum die 7 größten Skat-Irrtümer.

Der erste Irrtum steht allerdings schon in der Einleitung. Dort heißt es

Zwanzig Millionen Deutsche tun es mindestens zweimal im Monat: Skat spielen.

Hier sollte offensichtlich mit Gewalt eine schlüpfrige Zweideutigkeit untergebracht werden. Die Zahl „zwanzig Millionen“ stammt vom Deutschen Skatverband (z.B. in diesem Artikel vom Tagesspiegel), von „mindestens zweimal im Monat“ habe ich aber noch nie gehört oder gelesen.

Nebenbei: Peter Tripmarker heißt eigentlich Peter Tripmaker und ist nicht „Deutscher Skat-Präsident“ sondern Präsident des Deutschen Skatverbandes.

Doch nun zu den sieben Skat-Irrtümern.

Mythos 2: Das Skatspiel hat keinen „Erfinder“. Falsch! Durch den altenburgischen Geheimrat Hans Karl Leopold von der Gabelentz (1778-1831) wurde das Spiel 1813 aktenkundig. Seine Skat-Runde bestand aus einem Notar, einem Hofadvokat und einem Medizinalrat.

Bereits in den Kommentaren ist nachzulesen, dass das Blödsinn ist. Nur weil sich irgendwer die Mühe gemacht hat, etwas zu dokumentieren, ist er noch lange nicht der Erfinder. Genausogut könnte man behaupten, die Gebrüder Grimm hätten die ganzen Märchen „erfunden“. Haben sie nicht, sie haben sie nur aufgeschrieben.

Ab Mythos 4 wird es richtig übel. Vermutlich wären die „3 größten Skat-Irrtümer“ nicht genug für einen Artikel gewesen.

Mythos 4: Frauen spielen schlechter Skat. Unsinn! Sie reizen nur vorsichtiger, reißen deshalb nicht jedes Spiel an sich.

Wer hat denn so einen Quatsch jemals behauptet? Nicht nur der Mythos ist Unsinn, auch die Widerlegung des Mythos strotzt nur so vor Chauvinismus. Ich kenne sehr viele skatspielende Frauen. Sehr viele spielen einen sehr guten Skat und reizen offensiv. Ich kenne sehr viele skatspielende Männer. Einige spielen sehr schlechten Skat. Sie reizen vorsichtig und reißen deshalb nicht jedes Spiel an sich. Beweisführung abgeschlossen.

Mythos 5: Ein echter Skatspieler trainiert in der Kneipe. Falsch! Wie bei jeder Sportart sollte man zwei- bis dreimal pro Woche ein paar Stunden spielen.

Auch dieses Mythos war mir bislang völlig unbekannt. Die Widerlegung ist auch ziemlich seltsam. Man kann schließlich auch in einer Kneipe zwei- bis dreimal pro Woche ein paar Stunden Skat spielen.

Mythos 6 (Skat ist ein Stammtischspiel) ist identisch zu Mythos 5 und wird damit widerlegt, dass es viele prominente Skatspieler gibt. Auch nach längerem Nachdenken habe ich den Zusammenhang leider nicht verstanden…

Mythos 7 soll dann noch ein Schmankerl zum Abschluss sein, denn Bild.de kommt zu dem Ergebnis, dass dieser Mythos (ein Spieler namens Wenzel wollte seinen Sohn Schell nennen) – von dem ich ebenfalls noch nie gehört habe – stimmt!

Es gibt sehr, sehr viele sehr gute Artikel zum Thema 200 Jahre Skat. Der von bild.de gehört meiner Meinung nach leider nicht dazu.

Was Skat von anderen Spielen unterscheidet

So ziemlich jedes Spiel – egal ob Kartenspiel oder ein anderes – hat nur ein einziges Ziel. Beim Schach ist das Ziel, den gegnerischen König matt zu setzen. Beim Fußball ist es das Ziel, mehr Tore zu schießen als die gegnerische Mannschaft. Beim Backgammon ist es das Ziel, seine Steine als erster „herauszuwürfeln“.

Das Skatspiel ist hier eine der wenigen Ausnahmen. Es gibt eine ganze Menge unterschiedlicher Ziele. Und zudem verfolgen innerhalb desselben Spiels die beteiligten Spieler in der Regel unterschiedliche Ziele.

Je nach Spielverlauf kann es das Ziel eines Alleinspielers sein, das Spiel zu gewinnen, also mehr als 61 Augen zu erreichen. Es kann aber auch das Ziel sein, seine Gegner Schneider oder Schwarz zu spielen. Für die Gegenspieler gibt es in der Regel nur ein einziges Ziel, nämlich das Spiel zu gewinnen.

Aber allein schon das Ziel „Das Spiel gewinnen“ ist auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen. In der Regel bedeutet das, 61 bzw. 60 Augen zu erzielen. Ist der Alleinspieler aber gezwungen, die Gegenspieler Schneider zu spielen, dann hat der Alleinspieler von Anfang an das Ziel, 90 Augen oder mehr zu erreichen. Für die Gegenspieler ist dies in der Regel nicht von Anfang an klar, erst während des Spiels ändert sich das Ziel, 60 Augen oder mehr zu erreichen in das Ziel, 31 Augen oder mehr zu erreichen. Wenn die Gegenspieler dies bemerken, ändert sich das weitere Spiel oft signifikant.

Beim Nullspiel sind die Ziele allerdings von Anfang an für beide Parteien klar: Der Alleinspieler muss vermeiden, einen Stich zu machen und die Gegenspieler müssen versuchen, ihn an den Stich zu bringen. Das Ziel wird sich auch das ganze Spiel über nicht ändern.

Mir ist kein einziges Spiel bekannt, das so viele unterschiedliche Ziele in sich vereint und bei dem sich auch während eines einzigen Spiels die Ziele mehrmals ändern können.

Bei den Gegenspielern kommt es übrigens in fast jedem Spiel vor, dass sich ihr Ziel während des Spiels ändert. Zunächst sind sie bemüht, nicht schwarz zu werden, was oftmals recht schnell erreicht wird. Das nächste Ziel ist es, aus dem Schneider zu kommen. Das ist manchmal schon schwieriger. Aber hat man 31 Augen erreicht, dann ist es das nächste – und meist letzte – Ziel, das Spiel zu gewinnen.

Zugegeben habe ich es mir etwas einfach gemacht. Auch bei so ziemlich allen anderen Spielen können sich die Ziele während des Spiels ändern. Steht es beim Fußball in der Halbzeit 4:0, dann kann sich das Ziel für die zurückliegende Mannschaft von „mehr Tore schießen“ auf „vielleicht noch ein Unentschieden erreichen“ ändern. Habe ich beim Backgammon kaum noch eine Gewinnchance und spiele ich um einen Einsatz je Spielstein, dann kann sich mein Ziel auf „möglichst viele Steine herauswürfeln“ ändern. Aber allen diesen geänderten Zielen ist eines gemein: Man kann sie allgemein unter „Schadensbegrenzung“ zusammenfassen. Beim Skat gibt es das natürlich auch.

Das alles macht Skat zu einem faszinierenden Spiel, das viel Abwechslung bietet und immer spannend ist.