Kurze Freundschaft

Es gibt da im Skat eine „Regel“. Fast jeder Skatspieler ist in seinem Leben schonmal darüber gestolpert. Für viele war es die erste Regel, die sie – neben dem „reinen“ Regelwerk – kennengelernt haben. Und für viele ist sie nach wie vor heilig.

Dem Freunde kurz, dem Feinde lang.

Das Ziel dieser Regel: Spiele ich – insbesondere zum ersten Stich – aus, dann spiele ich eine Karte meiner langen Farbe, wenn der Alleinspieler (= Feind) in Mittelhand sitzt. Ist der Alleinspieler in Hinterhand und damit mein Partner (= Freund) in Mittelhand, dann soll ich eine Karte einer kurzen Farbe ausspielen.

Diese „Regel“ ist völliger Blödsinn.

Das Aufspiel ist beim Skat häufig spielentscheidend. Das richtige Aufspiel und das Spiel wird gewonnen, das falsche und dasselbe Spiel ist ungewinnbar. Diesen wichtigen Spielzug auf eine so simple Regel reduzieren zu wollen, kann überhaupt nicht funktionieren.

Leider gibt es nicht wenige Skatspieler, die diese Regel nicht als Orientierungshilfe für blutige Skatanfänger verstehen, sondern als unumstößliches Dogma betrachten. Sie betrachten es geradezu als Frevel, dagegen zu verstoßen.

Die Regel hat einen kleinen Nachteil: Sie stimmt. Manchmal. Natürlich gibt es Spiele, in denen genau die lange bzw. kurze Farbe die richtige Wahl ist und das Spiel daher gewonnen wird. Und genau diese Spiele sind es, die für die „Gläubigen“ den unwiederlegbaren Beweis dafür erbringen, dass diese Regel vollkommen richtig ist. Es soll ja auch Leute geben, die glauben, dass Punxsutawney Phil verlässlich voraussagen kann, wie der Frühling wird. Manchmal hat’s ja immerhin gestimmt.

Aber schauen wir uns die einzelnen Elemente der Regel mal genauer an:

Dem Feinde lang: Das ist erstmal gar nicht so verkehrt. Ist der Alleinspieler in Mittelhand, dann spiele ich meine lange Farbe vor. Mein Partner kann diese Farbe vielleicht stechen oder der Alleinspieler muss selbst einen Trumpf opfern.

Aber angenommen, ich habe in der Trumpffarbe ein blankes Ass und in einer anderen Farbe eine blanke Lusche. Warum sollte ich hier nicht mal die blanke Lusche vorspielen? Mein Partner hat vielleicht das Ass dieser Farbe oder der Alleinspieler schnippelt und bringt so meinen Partner an den Stich. Der kann die Farbe nachspielen und ich versteche mein blankes Trumpf Ass.

Dem Freunde kurz: Das ist nun wirklich absoluter Humbug. Der „Sinn“ dieser Regel ist der: Ich spiele eine kurze – wenn möglich blanke – Farbe aus, mein Partner kann diese übernehmen und die Farbe dann weiter dem Alleinspieler – der jetzt in der für die Gegenspieler günstigeren Mittelhandposition sitzt – diese Farbe präsentieren, auf die ich dann schmieren oder die ich stechen kann.

Natürlich gibt es auch hier Beispiele, bei denen das blanke Ausspiel genau die richtige Eröffnung ist. Sie kann z.B. dann sinnvoll sein, wenn mein Partner diese Farbe gereizt hat. Aber sehr, sehr oft ist das blanke Ausspiel die Garantie für den Alleinspieler, sein Spiel zu gewinnen.

Ein Beispiel:

Spiel des Monats September 2008: Der Alleinspieler in Hinterhand spielt ein Kreuz mit 5, Karo Ass auf der Hand und 13 Augen gedrück. Der Ausspieler eröffnet entgegen der Regel mit seiner längsten Farbe, der Alleinspieler verliert mit 53 Augen. Hätte der Ausspieler mit seiner kurzen Farbe (das Herz Ass) eröffnet, hätte der Gegenspieler in Mittelhand keine Möglichkeit mehr, seinen Partner ans Spiel zu bringen und der Alleinspieler hätte das Spiel gewonnen.

Man erkennt oftmals schnell, wenn Spieler immer nach dieser Regel eröffnen. Man kann sich dann sehr gut darauf einstellen und dann Spiele wagen, die man sonst vielleicht nicht spielen würde. Das beste Beispiel ist der an anderer Stelle vorgestellte „Blender-Grand“. Habe ich einen „Dem Freunde kurz“-Jünger am Tisch in Vorhand, bin ich eher bereit, den Grand zu wagen, da er, wenn er meine lange Farbe blank hat, diese ausspielen wird und ich Mittelhand so die 10 rausschnippeln kann.

 

5 Gedanken zu “Kurze Freundschaft

  1. Ein Grand ist ein schlechtes Beispiel, dort gibt es nämlich eine andere Bauernregel: „Beim Grand spielt man Asse – oder solls lasse“. 😉
    (Ich zitiere nur).

  2. Pingback: Die Macht der Gestik | Skatblog

  3. Dem kann ich nur zustimmen. Bei sehr vielen dieser „Faustregeln“ für das Skatspiel verhält es sich ähnlich wie mit den Wettervorhersagen in sogenannten Bauernkalendern oder dem Wahrheitsgehalt von Horoskopen. Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist.

    Schönes Beispiel in diesem Zusammenhang: Das Anspiel eines As (…so man denn eines hat) als Gegenspieler beim Grand. Von Vielen zur „eisernen“ Regel er- und verklärt. Aber bei weitem nicht in jedem Fall sinnvoll…

  4. Pingback: Die Seele des Spiels | Skatblog

  5. Pingback: Die Kleinen jagen die Großen | Skatblog

Schreib einen Kommentar zu aks51 Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *


*